Situationsanalyse vorgestellt: Region punktet mit eingeworbenen Forschungsprojekten und Kooperationsintensität
KMU sollen künftig mehr unterstützt werden
Wie hat sich die Region Braunschweig-Wolfsburg in den letzten zwei Jahrzehnten wirtschaftlich entwickelt? Wo liegen ihre Stärken, wo ihre Schwächen? Welche Chancen ergeben sich und welche Risiken sind mit Blick auf die Herausforderungen der Transformation in der Fahrzeug- und Zulieferindustrie der Region zu beachten? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, beauftragte die Allianz für die Region GmbH die Prognos AG damit, eine Situations- und Chancen-Risiko-Analyse zur regionalen Mobilitätswirtschaft zu erstellen. Die Studie ist Bestandteil des Gemeinschaftsprojekts „Regionales Transformationsnetzwerk Südostniedersachsen (ReTraSON)“, welches die Allianz für die Region koordiniert. "Es handelt sich dabei um die erste sozioökonomische Studie für die Fahrzeug- und Zulieferindustrie in Südostniedersachsen seit knapp 20 Jahren. Sie ist nicht nur ein Meilenstein in unserem Projekt ReTraSON, sondern auch die Grundlage für die Mobilitätswirtschaft unserer Region“, sagt Thomas Ahlswede-Brech, Leiter Wirtschaft und Mobilität, Allianz für die Region GmbH. Die Ergebnisse der Studie wurden am 29. Juni 2023 in Salzgitter vor gut 100 Interessierten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Kammern und Verbände vorgestellt. Sie fließen in die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte gemeinsame Transformationsstrategie ein, die von der Allianz für die Region und weiteren Partnern bis Juni 2025 erarbeitet wird.
„Um eine gemeinsame Transformationsstrategie auf den Weg zu bringen, ist es wichtig, den konkreten Ist-Zustand in der Region zu kennen. Nur so können wir ganz genau sagen, an welchen Stellschrauben gedreht, welche Stärken ausgebaut und welche Schwächen reduziert werden müssen“, sagt Wendelin Göbel, Geschäftsführer der Allianz für die Region. Die Aufgabe der Allianz für die Region ist es dabei, alle relevanten Akteure zusammenzubringen und insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in den regionalen Transformationsprozess einzubinden und sie künftig noch stärker zu unterstützen. Mit ReTraSON habe man ein wichtiges Thema in der Region adressiert und damit die Grundlage geschaffen, den Wandel zusammen mit regionalen Akteuren unterschiedlicher Größe, aus unterschiedlichen Branchen und mit unterschiedlichen Anliegen gemeinsam zu stemmen.
Vertreterinnen und Vertreter des Transformationsnetzwerks ReTraSON diskutieren Ergebnisse in Salzgitter
Offizieller Startschuss für das Projekt ReTraSON war Anfang 2022. Bis heute wurden zahlreiche Workshops, Expertengespräche und Veranstaltungen durchgeführt, ein Transformationsrat gegründet und die Arbeit in den vier Transformations-Labs „Technologische Transformation“, „Zukunft der Arbeit“, „Neue Geschäftsmodelle“ und „Infrastrukturelle Transformation“ aufgenommen. Die Vergabe der Analyse war einer der ersten Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Transformationsstrategie. Nun wurden die Analyseergebnisse in Salzgitter erstmals vorgestellt und als Booklet veröffentlicht.
Nach der Begrüßung der Gäste präsentierte Dr. Olaf Arndt, Vize-Direktor und Bereichsleiter Region & Standort bei Prognos die wichtigsten Ergebnisse der Studie. Sie bestätigt, dass die Region Braunschweig-Wolfsburg einer der bedeutendsten Wirtschaftsstandorte Deutschlands ist. Die Region erzeugt eine Wirtschaftskraft von mehr als 60 Mrd. Euro und ist diesbezüglich seit 2010 um 36 Prozent gewachsen. Wesentliche Wertschöpfungseffekte gehen von der Automobilindustrie aus. Auch beschäftigungsstarke Branchen im Dienstleistungssektor, wie die unternehmensnahen Dienstleistungen mit Architektur- und Ingenieurbüros und Unternehmensberatungen, sind eng an die wirtschaftlichen Aktivitäten der produzierenden Unternehmen der Mobilitätswirtschaft geknüpft. Fast ein Drittel der Unternehmen und Beschäftigten sind direkt oder indirekt von der Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Mobilitätswirtschaft abhängig. Durch den technologischen und ökologischen Wandel ergeben sich erhebliche Veränderungen in den erforderlichen Tätigkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen von Beschäftigten, aber auch in der strategischen Ausrichtung und in den Geschäftsmodellen der Unternehmen.
Konzentration auf regionale Stärken und Chancen
Das heißt, dass für die Region, die Menschen und die Unternehmen vor Ort ein enormer Transformationsprozess einhergeht, der besondere Anforderungen an die Anpassungs- und Innovationsfähigkeit stellt und die Konzentration auf regionale Stärken und Chancen erfordert. Dazu gehören unter anderem die hohe Innovationskraft und die Forschungsintensität. Die Studie zeigt auf, dass mittelständische Unternehmen künftig stärker von Transfer und innovativen Impulsen aus wirtschaftlicher und anwendungsorientierter Wissenschaftslandschaft und offenen Innovationsprozessen profitieren müssen. Die Voraussetzungen dafür sind in der Region vorhanden: Zahlreiche Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen mit technisch-ingenieurwissenschaftlichen Schwerpunkten, ein dichtes Unternehmensnetz im zukunftsträchtigen Großcluster „digitalisierte und intelligente Mobilität“ und forschungsstarke Großunternehmen in der gesamten Breite der Mobilitätswirtschaft. „Die zunehmende digitale Vernetzung lässt die Grenzen zwischen vormals abgeschlossenen Systemen verschwimmen. Das erfordert eine intensivere Zusammenarbeit und eine hohe Kooperationsbereitschaft der regionalen Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung“, sagt Arndt. In seiner Wahrnehmung werde die Transformation der Automobilindustrie in der Region Braunschweig-Wolfsburg nicht nur erlebt, sondern aktiv gestaltet. „Mit einer einzigartigen Kombination aus Tradition, technologischer Exzellenz und Innovationsgeist wird diese Region zum pulsierenden Herzstück einer neuen Ära der Mobilität“, betont Arndt.
Die Region punktet zudem mit eingeworbenen Forschungsprojekten im Bereich der Technologie- und Innovationsförderung. Im Zeitraum 2014 bis 2022 wurden in der Region 1.828 Projekte mit Bundesmitteln und 379 Forschungsprojekte mit Fördermitteln der EU gefördert. Der räumliche Fokus der Forschungsprojekte liegt dabei auf der Stadt Braunschweig sowie dem Landkreis Goslar und der Stadt Wolfsburg. „Hier ist viel passiert, denn das sah vor zehn Jahren noch ganz anders aus“, ergänzt Thomas Ahlswede-Brech.
Nach der Vorstellung der Studienergebnisse diskutierten Garnet Alps, IG Metall Braunschweig, Dr. Olaf Arndt, Prognos AG, Nina Bertram, Bertrandt AG und Dr. Thorsten Schrader, PTB, gemeinsam mit Moderator Thomas Ahlswede-Brech auf dem Podium über die Herausforderungen, Chancen und Risiken im Transformationsprozess und welche Aufgaben nun konkret auf der Agenda stehen. Die Teilnehmenden erhielten in einer begleitenden Ausstellung die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie anschaulich visualisiert.
Ergebnisse der Studie fließen in Entwicklung einer regionalen Transformationsstrategie ein
Auf Basis der Studienergebnisse wird im nächsten Schritt innerhalb des Projekts ReTraSON die Arbeit in den vier Transformations-Labs intensiviert. Unter der Regie der fünf Forschungspartner verschiedener Institute des DLR und der TU Braunschweig sowie der Ostfalia Hochschule diskutieren die Teilnehmenden in einem abgestimmten Prozess mit erprobten Instrumenten alle relevanten Themen und schaffen so die Voraussetzungen, gemeinsame Projekte, Geschäftsmodelle und Strategien zu entwickeln und auf den Weg zu bringen.
Die zentralen Herausforderungen liegen gemäß der Studie dabei unter anderem darin, die Erkenntnisse aus der Wissenschaft und Forschung in Schlüsseltechnologien in der Region in Anwendung zu bringen und dabei insbesondere kleine und mittlere Betriebe der Region im Bereich der Nutzung und Anwendung zu unterstützen. Zudem wird es künftig noch wichtiger, den Beschäftigten der Mobilitätswirtschaft Möglichkeiten zur Qualifizierung, Weiterbildung und Neuorientierung zu bieten, um den Mismatch zwischen gesuchten Qualifikationen und vorhandenen Qualifikationen aufzulösen. Außerdem müssen die notwendigen Infrastrukturen (Batterie, Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe), erneuerbaren Energien sowie eine flächendeckende Versorgung mit leistungsstarken Gigabitnetzen weiter ausgebaut und Innovationsnetzwerke zwischen kleinen und großen Unternehmen wie Fahrzeugherstellern, Software- und IT- Unternehmen mit der Wissenschaft und der Startup-Szene aufgebaut werden. „Es wird entscheidend sein, diese Herausforderungen gemeinsam proaktiv anzugehen und innovative Konzepte zu entwickeln, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein“, resümiert Arndt.
Die Situationsanalyse kann als PDF auf www.retrason.de heruntergeladen werden. Auf der Website finden Interessierte zudem weitere Informationen zu Inhalten, Beteiligungsmöglichkeiten und bevorstehenden Veranstaltungen im Projekt.