Was tun, wenn Kinder den Familienbetrieb nicht übernehmen?
Partner unterstützen familienexterne Nachfolge in der Region/Wechsel in der Geschäftsführung bei Böhm Feinmechanik und Elektrotechnik
Dr. Elmar Böhm ist frisch gebackener „Teilzeit-Rentner“. Heute blickt er zufrieden zurück auf die letzten Monate und Jahre, weil er das berufliche Lebenswerk seiner Familie in guten Händen weiß. Böhm stieg 1996 in den Familienbetrieb Böhm Feinmechanik und Elektrotechnik in Seesen-Rhüden ein. Sein Großvater gründete den feinmechanischen Betrieb im Jahr 1949, den er nach über 20 Jahren Betriebszugehörigkeit im Jahr 2017 von seinem Vater übernahm. Seit den 1960er Jahren werden hier Luftfahrtgerätegehäuse aus Messing und Aluminium mit gasdicht eingelöteten Gläsern gefertigt. Später erweiterte das Unternehmen das Produktspektrum um elektronische Temperaturregler, Teile für die Radioastronomie, Gehäuseteile für Satelliten, etc. Von der feinmechanischen Einzelteilfertigung über die Herstellung von Musterbauteilen und Prototypen bis zur Komplettfertigung von Baugruppen in kleiner Serie übernimmt Böhm verschiedenste Aufträge. Nun hat Dr. Elmar Böhm seinen Betrieb im Mai 2024 an den berufs- und führungserfahrenen Wirtschaftsingenieur Tarek Abram übergeben. Mehr als drei Jahre war Böhm dazu im Vorfeld in Gesprächen, um die familienexterne Nachfolge auf den Weg zu bringen.
„Meine Kinder gehen beruflich in andere Richtungen, so dass ich früh an eine familienexterne Unternehmensnachfolge denken musste“, sagte Dr. Elmar Böhm. Jährlich stehen in der gesamten Region zwischen Harz und Heide rund 500 Unternehmensnachfolgen an, wobei immer häufiger familienexterne Lösungen gefragt sind. Im Vorfeld des Führungswechsels bei Böhm Feinmechanik wurden die Beteiligten unter anderem von Thomas Kausch unterstützt, der die Unternehmensnachfolge bei der Allianz für die Region betreut. „Wir bieten mit unserem Regionalpool ein kostenfreies Angebot, das Übergabeunternehmen mit qualifizierten Nachfolgekandidaten zusammenbringt. Dabei arbeiten wir seit Jahren eng und gut mit den regionalen Wirtschaftsförderungen, Kammern und Verbänden zusammen, um die Nachfolgeprozesse gemeinsam umfassend zu begleiten“, sagt Kausch. Alle im Regionalpool gesammelten Informationen, insbesondere die Profile der Übergabe-Unternehmen und Nachfolgeinteressierten, sind diskret und nicht öffentlich zugänglich.
Erste Vorgespräche zwischen dem bisherigen Geschäftsführer Elmar Böhm und Thomas Kausch fanden im Jahr 2021 statt. Erst zwei Jahre später wurde der jetzige Nachfolger Tarek Abram bei einem ersten Sondierungsgespräch dem scheidenden Inhaber vorgestellt. Seitdem arbeiteten die Beteiligten mit verschiedenen Experten wie Steuerberatungen, der Handwerkskammer und den Banken an einem komplexen Nachfolgeprozess. Der Führungswechsel erfolgte Anfang Mai 2024.
Tarek Abram studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Hamburg-Harburg mit den Schwerpunkten Produktionstechnik, Technische Logistik, Statistik, Industriebetriebslehre und war danach unter anderem in verschiedenen Führungspositionen, unter anderem bei einem mittelständischen Automobilzulieferer. „Es war sehr viel zu bedenken und dabei war es sehr hilfreich, dass Elmar Böhm immer sehr flexibel und offen für Lösungsvorschläge war und ich Thomas Kausch von der Allianz für die Region immer als neutralen Sparringspartner ansprechen konnte. Das erleichterte so manche Entscheidung“, sagte Tarek Abram rückblickend auf den intensiven Nachfolgeprozess.
Der scheidende Inhaber Elmar Böhm freut sich darüber, „mit Tarek Abram einen jungen und doch schon erfahrenen Nachfolger gefunden zu haben, der zudem über viel Erfahrung in der Führung mittelständischer Unternehmen verfügt.“ Er steht dem Unternehmen weiterhin beratend zur Seite.
Auch Dr. Alexander Saipa, Landrat des Landkreises Goslar, ist froh, dass ein leistungsfähiger Betrieb am Standort erhalten bleibt. „Für unsere Wirtschaftsregion ist es ausgesprochen wichtig über eine große Bandbreite mittelständischer Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen zu verfügen. Wir freuen uns auf ein weiteres Wachstum und stehen der Böhm Feinmechanik GmbH mit unserer Wirtschaftsförderungsgesellschaft WiReGo gerne weiterhin beratend zur Seite“, versichert Landrat Dr. Saipa.
Die Allianz für die Region ist seit 2009 im Bereich der Unternehmensnachfolge in der Region aktiv. Zu den Partnern gehören unter anderem die regionalen Wirtschaftsförderungen, die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammer und weitere Verbände. Das jüngste Projekt „Selbstständigkeit durch Unternehmensnachfolge“ wird im Rahmen des Fachkräftebündnisses SüdOstNiedersachsen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Niedersachsen gefördert.